Wenn Vergangenes nicht vergeht

 

LE PASSÉ

(R: ASGHAR FARHADI, FR/IT, 2013)

Genre: Drama

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Das Familiendrama des iranischen Oscar-Preisträgers Asghar Farhadi ist eine einfühlsame und ergreifende Kontemplation über menschliche Beziehungen, ihre komplexen Strukturen und deren Abgründe. Besonders erwähnenswert ist die schauspielerische Leistung von „The Artist”-Star Bérénice Bejo als Marie, für die sie in Cannes den Preis als beste Darstellerin erhielt.

„Die heutige Technologie hat das Kino von der Kunst entfernt. Filme sind so einfach geworden, dass man nicht mehr zu denken braucht“, monierte Regisseur Farhadi in einem Interview. Dies gilt zweifellos nicht für sein Werk „Le Passé: Wie in einem Krimi hat der Zuschauer nach und nach die Geheimnisse der Vergangenheit zu rekonstruieren. Der Film beginnt mit Ahmads Ankunft am Pariser Flughafen. Seine Frau Marie versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Doch Ahmad hört sie nicht. Eine Glasscheibe trennt die beiden – eine im Film wiederkehrende Metapher für die gestörte Kommunikation zwischen den Figuren: Immer ist da diese unsichtbare Barriere zwischen dem Innenleben des Individuums und seiner menschlichen Umwelt. Und so überrascht es nicht weiter, dass der Grund für das gemeinsame Treffen der anstehende Scheidungstermin ist.

Hierauf folgt die Begegnung mit einer dysfunktionalen Patchworkfamilie. Die schwangere Marie und ihr neuer Freund, der Reinigungsbesitzer Samir, wollen heiraten. Das Problem: Es sind noch weitere Menschen unmittelbar von dieser Entscheidung betroffen. Maries ältere Tochter Lucie beispielsweise (beeindruckend verkörpert von Pauline Burlet) lehnt Samir entschieden ab, wobei sie etwas Wesentliches verschweigt. Frustrationen entladen sich zusehends, ausbaden dürfen das die Kinder. Dennoch bleibt jegliche Schuldzuweisung vonseiten des Regisseurs aus. Statt dem ewigen Kampf Hollywoods zwischen Protagonist und Antagonist begegnet der Zuschauer hier gewöhnlichen Menschen. Sie alle sind dem Leid der Vergänglichkeit unterworfen, verzweifeln am komplexen Geflecht menschlicher Beziehungen, das sich immer zwischen diesen Polen bewegt. Ein Kreislauf in seiner Unentrinnbarkeit, der an die Werke des US-amerikanischen Schriftstellers Tennessee William erinnert. So schrieb dieser einst: „We are all sentenced to solitary confinement inside our own skins for life.”